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Fachkräfte mit Berufsausbildung: Tipps fürs Recruiting und Employer Branding

Erst seit wenigen Jahren geraten Fachkräfte mit Berufsausbildung verstärkt ins Blickfeld von Recruiting- und Employer Branding-Verantwortlichen. Aktuell hat die Corona-Pandemie diese Entwicklung beschleunigt, denn die „Corona-Held:innen“ sitzen an der Supermarktkasse, sind in der Pflege tätig oder liefern Pakete aus. Mittlerweile tobt der „War for Talent“ längst nicht mehr nur um Ingenieur:innen, IT-Spezialist:innen und Ärzt:innen. Um Fachkräfte mit Berufsausbildung erfolgreich zu rekrutieren, müssen HR-Verantwortliche umdenken, denn die etablierte Praxis im Recruiting und Employer Branding greift bei Nicht-Akademikern ins Leere.

Zwei Personen in Sicherheitskleidung in einer Lagerhalle
© pressmaster/AdobeStock

Employer Branding für Blue Collar: „Sicherheit“ schlägt „Karriere“

Konzept und Praxis des Employer Branding wurden von Akademiker:innen für Akademiker:innen entwickelt. Im Zentrum steht meist das Versprechen von „Karriere“. Nicht umsonst heißen Internetseiten mit Arbeitgeberangeboten in der Regel „Karriereseiten“. Aber suchen Fachkräfte mit Berufsausbildung in der Pflege, im Handel oder im Maschinenbau tatsächlich vorrangig nach „Karriere“? Die Employer Branding-Studie von meinestadt.de lässt daran zweifeln.

Sicherheit statt Karriere und hohes Gehalt

Für die Studie wurden nichtakademische Fachkräfte befragt, welche Aspekte für sie bei einem potenziellen Arbeitgeber wichtig sind. Auf dem Spitzenplatz mit 63,7 % an „sehr wichtig“-Antworten liegt die „Sicherheit des Arbeitsplatzes“, dicht gefolgt von der „pünktlichen Gehaltszahlung“ mit 60,3 %. Dagegen ist nur 23,1% der Befragten der nächste Karriereschritt sehr wichtig. Und für nur 20,2 % gibt ein „überdurchschnittliches Grundgehalt“ den Ausschlag für die Wahl des Arbeitgebers.

Wichtige Leistungsfaktoren

Anteil der Personen, die folgende Aspekte als sehr wichtig eingestuft haben

Weniger wichtige Leistungsfaktoren

Arbeitsinhalte und Rahmenbedingungen

Ein weiteres spannendes Ergebnis der Employer Branding-Studie: Gute Arbeitswerkzeuge und guter Arbeitsschutz sind noch wichtiger als „spannende Arbeitsinhalte“ und „moderne Arbeitsräume“. Arbeitssicherheit spielt aber aktuell in Stellenanzeigen für Fachkräfte mit Berufsausbildung kaum eine Rolle. Dies dürfte insbesondere für handwerkliche Berufe, Jobs im Gesundheitswesen und Stellen in der Produktion von großer Bedeutung sein.

Anteil der Personen, die folgende Aspekte als sehr wichtig finden

Kultur und Kolleg:innen

Auch die Arbeitskultur nimmt eine wichtige Rolle für Fachkräfte ein:

  1. Die gute Beziehung zu den Kolleg:innen (45,2 % „sehr wichtig“ / 43,3 % „wichtig“)
  2. Gute Unternehmenskultur und gute Stimmung (42,6 % „sehr wichtig“ / 48,7 % „wichtig“)
  3. Die Anerkennung der eigenen Arbeit durch den Chef oder die Chefin (36,2 % „sehr wichtig“ / 49,5 % „wichtig“)

Die Ergebnisse bestätigen, dass Fachkräfte andere Kriterien an die Arbeitgeberwahl anlegen als Akademiker:innen: Der Anteil am Unternehmenserfolg und ein überdurchschnittlicher Verdienst spielen keine große Rolle für Fachkräfte mit Berufsausbildung. Für die Mehrheit zählt vor allen Dingen, dass sie sich und ihre Fähigkeiten einbringen können: fachlich wie persönlich. Auch die Erfahrung, zu einem tollen Team zu gehören, ist ein entscheidender Aspekt für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

Sinn der Arbeit aus der Perspektive von Fachkräften

Die Mehrheit der Fachkräfte mit Berufsausbildung sieht in der Arbeit mehr als eine reine Verdienstmöglichkeit. Es sind nicht nur Akademiker:innen, die – so die geläufige Meinung – in ihrem Job eine sinnvolle Tätigkeit sehen. In der Attraktive Jobs-Studie von meinestadt.de gaben 45,8 % der befragten Fachkräfte an, eine „sinnvolle Tätigkeit bestehe vor allem darin, mit der eigenen Arbeit etwas bewirken zu können.

Würden Sie nach einem Millionengewinn im Lotto weiterarbeiten?

„Karriere“ und „überdurchschnittliche Gehaltsperspektiven“ sind für nicht-akademische Fachkräfte offensichtlich weniger relevant als für Akademiker:innen. Es geht vor allem darum, dass Fachkräfte andere durch Handlungen positiv beeinflussen können, was auf das Gefühl der Bedeutsamkeit einzahlt. Es ist für viele Menschen sehr wichtig, dass sie ihren Einfluss auf Kolleg:innen, Mitarbeitende und das Unternehmen spüren. In der Zufriedenheits-Studie von meinestadt.de gaben 64,2 % der Fachkräfte mit Berufsausbildung an, trotz eines Millionengewinns im Lotto weiterarbeiten zu wollen. Das zeigt: Für mehr als zwei Drittel der Fachkräfte spielt der „Sinn der Arbeit“ offensichtlich eine große Rolle.

Was bedeutet für Sie eine "sinnvolle Tätigkeit"? – Top 3

(Mehrfachnennungen möglich)

Jobs in der Heimat: Fachkräfte suchen regional

Schon bei der Employer Branding-Studie von meinestadt.de zeigte sich die besondere Bedeutung der Region für die Arbeitgeber- und Jobwahl. Diesen Aspekt haben wir in der Regionalitäts-Studie weiter vertieft. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

  • Fachkräfte mit Berufsausbildung definieren „Heimat“ als ihre unmittelbare Umgebung und richten die eigene Lebens- und Jobplanung weitgehend an dieser Umgebung aus. „Heimat“ und „Geburtsort“ sind für die meisten Fachkräfte dabei identisch.
  • Fachkräfte arbeiten in der Regel in der Nähe Ihres Wohnortes, rund die Hälfte von Ihnen fährt nicht mehr als 9 Kilometer zur Arbeit.
  • 87,9% von ihnen ist es „sehr wichtig“ oder „wichtig“ in der Nähe des Wohnorts zu arbeiten.
  • 63,0% sucht in einem Radius von bis zu 29 km nach Jobs.
  • Sehr viele Fachkräfte schließen einen jobbedingten Umzug kategorisch aus. 40,1% würden für einen Job „gar nicht“ umziehen, 27,2% nur in einem Umkreis von unter 30 Kilometern. „Bessere langfristige Perspektiven im Job“ stellen nur für eine kleine Minderheit von 8,8% einen Grund für einen Umzug dar.

Interessant ist, dass junge Fachkräfte etwas weniger mobil sind als ältere. 89,6 % der 25- bis 34-Jährigen finden es zum Beispiel „wichtig“ oder „sehr wichtig“, dass der Arbeitsplatz nah am Wohnort liegt. Über die Altersgruppen hinweg ist die Jobsuche bei der großen Mehrheit regional.

Der Job finanziert mein Leben in der Heimat.
Heimat + Job in der Nähe = glücklich
Ich möchte meine Heimat zurzeit nicht für einen Job verlassen: Mein Kind soll hier mit seiner Cousine und Neffen aufwachsen – sind noch zu klein. Wir haben unser Haus hier und meine Schwester und mein Bruder leben hier, die auf keinen Fall wegziehen werden. Meine Eltern leben noch und meine Oma ist aufgrund von Demenz ein Pflegefall. Familie ist für mich Heimat, wo ich bin, und der Job ist glücklicherweise vor Ort.
Arbeiten kann nur in der Heimat Spaß machen.
Job, Heimat und zu Hause sind für mich eins.

Recruiting von Fachkräften: mobile Jobsuche und kurze Bewerbungswege

Regionale Auffindbarkeit und Mobiloptimierung

Neun von zehn Befragten geben in der Mobile Recruiting-Studie von meinestadt.de an, in Online-Börsen nach Jobs zu suchen. 76,1 % nutzen dazu ihr Smartphone. Mobil optimierte Stellenanzeigen wie Karrierewebsites sind allein daher ein Muss – und die gezielte digitale Auffindbarkeit in der Region, die sich am Suchverhalten von Fachkräften mit Berufsausbildung orientiert. Zudem ist die Mobiloptimierung von Arbeitgeber-Angeboten eine Grundvoraussetzung für deren Suchmaschinenoptimierung (SEO).

Mit welchen Endgeräten suchen Sie nach neuen Jobs?

(Mehrfachnennungen möglich)

Mobile Recruiting: Bewerbung per Smartphone willkommen!

Auch der Wunsch, sich direkt mit dem Smartphone zu bewerben, nimmt stetig zu. Jede:r zweite:r Kandidat:in springt der Mobile Recruiting-Studie zufolge ab, wenn Stellenanzeigen und Karriereseiten nicht mobil angepasst sind. Bewerber:innen müssen zudem das Gefühl bekommen, dass ihre mobile Bewerbung willkommen ist. Sonst werden sie das Angebot nicht nutzen. Sie brauchen ein eindeutiges Signal, dass die mobile Kurzbewerbung aus Sicht der Arbeitgeber eine „seriöse Bewerbung“ darstellt.

Würden Sie sich mobil bewerben?

Formen der Kurzbewerbung

Für die mobile Bewerbung können traditionelle Prozesse nicht 1:1 übernommen werden. Es braucht daher neue, abgespeckte Lösungen, wie die Kurzbewerbung. Insbesondere Arbeitgeber, die um besonders gefragte Fachkräfte werben, sollten Hürden im Erstkontakt senken. Mit einem vorgeschalteten kurzen Fragenkatalog kann die Auswahl wesentlich leichter und effizienter gestaltet werden. Bei einem Verkaufsfahrer kann darüber beispielsweise der Führerschein einer bestimmten Klasse, die Sprachkenntnisse oder die Erfahrung im Kundenkontakt kompakt abgefragt werden.

Abschied vom Anschreiben

Das mobile Zeitalter läutet in den Bewerbungsprozessen das Ende des klassischen Anschreibens ein. Schon zahlreiche Unternehmen wie die Deutsche Bahn, der Konsumgüterhersteller Henkel oder die Drogeriekette Rossmann haben sich von Anschreiben getrennt. Der Abschied dürfte nicht schwerfallen: Sein Wert für die Kandidatenauswahl gilt unter Expert:innen als gering – insbesondere bei Fachkräften mit Berufsausbildung. Diese tun sich im Vergleich mit akademischen Bewerberzielgruppen besonders schwer. Vielen Fachkräften ist das Anschreiben ein Graus. Jede zweite Fachkraft gibt in einer meinestadt.de-Umfrage an, dass das Anschreiben eine “große Hürde” darstellt. Teilnehmende vergleichen das Erstellen eines Anschreibens mit einer “Schulprüfung” oder einem „Besuch beim Zahnarzt“.

Schnelligkeit zählt

In ihrer Rolle als Online-Konsumenten sind Fachkräfte schnelle Reaktionszeiten von Unternehmen gewöhnt. Das prägt auch ihre Erwartungen an Arbeitgeber im Bewerbungsprozess: Schnell fühlen sie sich durch wochenlange Rückmeldezeiten verprellt und ziehen weiter zum Wettbewerb.

Wie schnell erwarten Sie eine Rückmeldung, ob es einen Schritt weiter geht?

Recruiting und Employer Branding für Fachkräfte: 10 Tipps

Statt die bei akademischen Zielgruppen seit Jahrzehnten eingesetzten Leistungsversprechen, Begriffe und Bilder zu recyceln, sollten die Verantwortlichen die eigenen Kolleg:innen befragen, um so ein identitätsbasiertes Bild von der eigenen Attraktivität als Arbeitgeber zu gewinnen. Allgemeine Aussagen zu Fachkräften sind dabei zielgruppenspezifisch zu verfeinern. Pflegekräfte legen auf andere Dinge wert als Logistikfachkräfte.
Viele nichtakademische Berufsgruppen sind dauerhafte Engpasszielgruppen in der Definition der Bundesagentur für Arbeit und kaum einfacher zu rekrutieren als Ärzt:innen oder Programmierer:innen. Auch hier gilt es, auf „Karriere“-Websites, in Stellenanzeigen und in Jobinterviews den Schwerpunkt von der Selektion hin zur Gewinnung zu verlagern. Das Leitmotiv ist nicht: „Was müssen Fachkräfte mitbringen?“, sondern „Was bieten wir Fachkräften, damit sie sich für uns und nicht für den Wettbewerb entscheiden?“
Fachkräfte suchen in der Regel in ihrer Region. Arbeitgeber sollten daher die konkrete Suche ebenso auf dieses Potenzial fokussieren wie ihre Aktivitäten im Employer Branding. Umzüge von Fachkräften aus weiter entfernten Regionen sind eher selten, die Motivation, solche Umzüge auf sich zu nehmen, gering. Ein Teil der Fachkräfte ist dafür noch am ehesten mit Geld und handfesten Vorteilen zu gewinnen. Im überregionalen Vergleich stellen niedrige Miet­ und Baupreise in der Region zum Beispiel einen solchen handfesten Vorteil dar.
In jedem Job gibt es den „Moment der Wahrheit“, in dem sich zentrale Erfahrungen von Berufssinn und Arbeitsglück zeigen. Das gilt für Hirnchirurg:innen ebenso wie für LKW-Fahrer:innen, Kaufleute im Lebensmittelhandel oder Logistikfacharbeiter:innen. Arbeitgeber sollten Mitarbeiter:innen in solchen Situationen zeigen – Texten, Bildern und Videos.
Fachkräfte legen auf Jobsicherheitsargumente deutlich mehr Gewicht als auf Karriereversprechen. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Risiken und Krisen einzelner Unternehmen sowie ganzer Branchen dürften dieses natürliche Sicherheitsbedürfnis verstärkt haben. Legen Sie als Arbeitgeber Wert auf langfristige Beschäftigungsverhältnisse? Ist bei Ihnen die Verweildauer im Betrieb hoch und die Fluktuation gering? Lassen Sie das ihre Fachkräfte-Bewerber wissen.
Über 80 % der Personaler:innen nutzen derzeit noch unspezifische Versatzstücke a la „attraktive Karrierechancen“ oder „spannende Herausforderungen“ in Stellenanzeigen für Fachkräfte. Doch Altenpfleger:innen, Mechatroniker:innen oder LKW-Fahrer:innen haben in der Regel kein Interesse daran, „Karriere“ zu machen. Viel wichtiger sind ihnen zum Beispiel ein gutes Unternehmensklima oder ein sicherer Arbeitsplatz.
Schon in der Entstehungsphase sollte sie sich die Entwürfe in der Mobilversion zeigen lassen und dann erst auf dem Desktop, nicht umgekehrt. Denn die meisten Fachkräfte mit Berufsausbildung werden Ihre Angebote zunächst auf ihrem Smartphone sehen.
Machen Sie es Fachkräften in Engpasszielgruppen so einfach wie möglich. Verzichten Sie auf ein Anschreiben und bieten Sie gleichberechtigte Kurzbewerbungen. Indem Sie die neuen Bewerbungsformate unterstützen und in der Außenkommunikation bewerben, wird die nötige Akzeptanz vermittelt, die bei potenziellen Kandidat:innen wiederum Vertrauen schafft.
Eine Woche für eine definitive Rückmeldung (Absage oder Einladung zum Gespräch) muss reichen. Kommunizieren Sie diese Zeiten idealerweise als Leistungsversprechen an ihre Bewerber:innen – auf ihrer Karrierewebsite oder in Stellenanzeigen sowie im ersten Eingangsbescheid. In einigen Funktionen wie etwa in der Pflege brauchen Fachkräfte in Ballungsräumen aktuell keine 24 h, um ein neues Jobangebot zu erhalten. Ihre Prozessgeschwindigkeit sollte sich an den jeweiligen Marktverhältnissen orientieren, nicht an Ihren bisherigen Gewohnheiten.
Umfragen zeigen, dass sich Bewerber:innen das dringend wünschen. Fachkräfte mit Berufsausbildung bilden hier keine Ausnahme. Zeigen Sie den Bewerber:innen, womit unter Corona-Bedingungen zu rechnen ist (Video-Interviews, längere Reaktionszeiten etc.).

Mehr Infos zu Recruiting und Employer Branding für Fachkräfte mit Berufsausbildung

Diese Informationen und Tipps werden laufend aktualisiert. In Kürze finden Sie hier Texte, Videos und Downloads zu folgenden Themen:

  • Digitalisierungskompetenz im Employer Branding
  • Job und Immobilienerwerb
  • Sinnargumente für Fachkräfte: Jobs mit Sinn – fünf Fragen für Ihre Mitarbeiter:innen
  • Gute Führung als Attraktivitätstreiber
  • 5 Tipps für Azubi-Anzeigen
  • Branchenspezifische Tipps: 5 Hinweise für bessere Stellenanzeigen in der Pflege
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